Fliegen in „der Stadt der Engel“ bald die Fetzen?
Autor & Fotograf | Michael Schaller
Es rumort in Bangkok - der Metropole des Königreiches Thailand. Politische Widersacher liefern sich Medienschlachten und rufen zu Demonstrationen auf. Der hauptsächliche Grund für den Zwiespalt sind die geteilten Lager der Rothemden und Gelbhemden. Beide lassen keine Gelegenheit aus, den jeweiligen Gegner zu schwächen oder zu brüskieren. Die derzeitige Landeschefin Yingluck Shinawatra, ist eine Schwester des aus dem Land verbannten Mobilphone-Milliardärs Thaksin Shinawatra. Dieser war offensichtlich der Grund für frühere Ausschreitungen, einen waschechten Militärcoup 2006, seine rechtskräftige Verurteilung zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe (wegen nachgewiesener Korruption im Amt) 2008 und eine Mitverurteilung seiner damaligen Ehefrau, welcher er großzügigst Staatsgrundstücke zu Schnäppchenpreisen verpasste.
Was ist der ursächliche Grund?
Thaksin, der direkte Nachkomme chinesischer Einwanderer des 20. Jahrhunderts, führte das Land als Premierminister von 2001 bis zu seiner Suspendierung durch das Königliche Thai Militär 2006 mit eiserner Faust. In den Geschichtsbüchern verewigte er sich durch härtestes Vorgehen gegen die Thai-Muslime der Südprovinzen und auch durch radikalste Erschiessungsaktionen vermutlicher Krimineller in seinem „Krieg gegen Drogen“. Der Hardliner entfachte damit den schlummernden Bürgerkrieg im äußersten Süden (über 6.000 Tote auf beiden Seiten durch Attentate seither) und ließ über 2.500 vermeintliche Drogenkriminelle ohne gerichtliches Verfahren durch Killerkommandos hinrichten (2003). Diese damalige Säuberungsaktion rief die UN auf den Plan und erste Untersuchungen bestätigten schlimme Verdachtsmomente – über die Hälfte der Hingerichteten hatten überhaupt keine Kontakte zu Drogengeschäften. Dem Gefängnis entging er selbst durch Landesflucht, er zieht seither die Fäden aus dem Exil. Enge Verwandte und Verbündete aus alten Machtcliquen regieren nun das Land. Nun bereitete seine Schwester Yingluck mit ihren Mitstreitern eine Verfassungsänderung vor, die eine allgemeine Amnestie bringen soll. Dagegen protestieren Bürgerrechtler und die Gelbhemden derzeit wieder.
Was passiert zur Zeit in Bangkok?
Außerhalb des Stadtzentrums, fernab touristischer Meilen und Geschäftsbezirke, massiert sich der gelb orientierte Widerstand an einem Vorortbahnhof (Samsen). Tausende demonstrieren friedlich gegen die geplante Verfassungsänderung. Anders als die Öffentlichkeit von den Rotshirtaktionen im Jahre 2010 gewohnt waren (damals legten die Protestler Blockaden im Herzen der Stadt und mussten von der Armee von dort gewaltsam entfernt werden), verläuft die derzeitige Protestaktion der Gelbhemden in gewohnter Manier friedlich und ohne die Stadt Bangkok lahmzulegen. Die Yingluck Shinawatra Regierung entfernte vorsorglich alle Polizeikommandeure aus dem Amt, sofern diese nicht attestiert rothemdenfreundlich waren. Die Jahre an der Macht sorgten für eine nachhaltige Implementierung von treuen Gefolgsleuten bei allen Sicherheitskräften und der Armee.
Was kennzeichnet „Gelbhemden“ und „Rothemden“?
Die Gelbhemden gelten als überdurchschnittlich gebildet und rekrutieren sich aus vielen Studenten und normalen Teilen der vorwiegend Bangkoker Bevölkerung. Sie sind sehr königstreu und stehen den Demokraten um Abhisit Vejjajiva nahe. Thaksin und der Shinawatra-Clan sind denen ein Dorn im Auge, sie sehen die Verfassungsänderung als Manipulation des Volkswillens, um eine straffreie Rückkehr für Thaksin in die Wege zu leiten. Gelbhemdenführer sind oft auch ehemalige Thaksin-Buddies und Supporter.
Bei den so genannten Rothemden handelt es sich um einen einfach strukturierten Mob, welcher sich in erster Linie aus einer verarmten Unterschicht und dem einfachen Landvolk der entlegenen Provinzen zusammensetzt. Agitatoren und eigene Medien heizen die Menge bei Bedarf an. Eine gewisse Gewaltbereitschaft darf unterstellt werden. Zu Protesten oder Gegendemonstrationen der Roten wurden bisher Busse und Transporte organisiert, in Bangkok wurden auch Mopedtaxler und Taxifahrer für ihre Teilnahme angeheuert. Die Roten werden durch der jetzigen Regierung sehr nahe stehende Individuen geführt.
Gibt es ein bisheriges Fazit?
Ja, der Shinawatra-Clan agiert mit populistischer Methodik und liiert sich im Bedarfsfall mit ehemaligen Machtgruppen um alternde und ehemals mächtige Politiker im Land (Banharn, Chavalit, Yubamrung, etc.). Grundlegende Umstrukturierungen in den Kommandozentralen der Staatsgewalt während der Machtphasen (2001-2006, 2007-2008 und ab 2011), sorgten für thaksinfreundliche Befehlshaber. Nur in der Phase der Demokraten unter Abhisit vom 17. Dezember 2008 bis zum 5. August 2011 gab es in Thailand eine Art von Reduktion der Verwandschaft und Gesinnungsgenossen Thaksins in Führungsämtern. Die Amtsphase des Abhisit wurde empfindlich von Rothemdaktionen gestört. Der Verdacht fiel auf Thaksin als Finanzier und Drahtzieher dieser Unruhen. Überwiegend chinesischstämmige Großkapitalisten und Neureiche, die ihren Wohlstand dem Thaksin-Clan zu verdanken haben, sind häufig auf der roten Seite zu finden. Intellektuelle, der alte Thai Adel und der überwiegende Teil der Steuerzahler, unterstützen oftmals die gelbe Seite der Bewegung. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier die gebildeteren und gutsituierten Thais gegen eine aufkeimende Front mit dominant chinesischen Merkmalen ankämpft, die sich die arme Landbevölkerung zur Unterstützung verdingt. Da Demokratieverständnis ja jedem eine Wahlstimme zubilligt, wählen regelmäßig die Habenichtse und Bevölkerungsgruppen mit defizitärem Alphabetisierungsgrad die Leute mit den populistischsten Wahlversprechen. Das diese dann nicht eingehalten werden, gehört quasi zum Alltag hier. In Bangkok bekam der Shinawatra-Clan wahltechnisch bisher nur selten ein Bein auf den Boden.
Was betrifft den Touristen?
Abgesehen von der Flughafenblockade der Gelbhemden am 26. November 2008, welche den Flugverkehr kurzfristig lähmte und den Schwager Thaksins aus dem Amt zwang, gab es nur selten Störungen mit Auswirkungen in touristische Bereiche. Urlaubsorte waren so gut wie nie betroffen und in Bangkok waren und sind alle Protestaktionen bisher räumlich begrenzt und somit umgehbar. Urlauber in Thailand bekommen kaum oder haben nie Berührungspunkte mit Protestlern, die Hotels und Badestrände sind davon nicht betroffen. Protestgelände sind generell zu vermeiden, die Unruhen und Scharmützel werden dort ihren Lauf nehmen.
- 25.11.2013: Update zu den Protesten in Bangkok
- 01.12.2013: Update - Erste Schüsse in Bangkok
- 09.12.2013 Update - Proteste in Bangkok sind zu Ende
- 02.01.2014 Update - Neue Demonstrationen in Bangkok
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