Menschen, die deutlich als Asiaten zu erkennen sind, haben derzeit in der Türkei einen schweren Stand. Grund dafür sind die verhärteten Fronten zwischen der konservativ-islamistischen Noch-Regierung der Türkei, der AKP und China. Problemauslöser hierbei war die turkstämmige und muslimische Volksgruppe der Uiguren. Doch wie kam es letztlich dazu, dass eine Horde türkischer Nationalisten und Islamisten das thailändische Generalkonsulat stürmte?
Uigurenvs Chinesen – ein Konflikt mit langer Tradition?
In China gibt es mittlerweile eine lange Tradition von Zusammenstößen zwischen Uiguren und (Han)Chinesen. Immer wieder schafft es die Ostturkestanische Muslimische Bewegung (ETIM), die Konflikte anzufachen und dafür zu sorgen, dass in den Regionen mit einem hohen Anteil an uigurischer Bevölkerung – zum Beispiel in Xinjiang – nicht zur Ruhe kommen. Hierbei ist die ETIM eine Organisation, die auch international auf den Listen der terroristischen Vereinigungen steht und Mitglieder dieser Gruppierung wurden ebenso in Guantanamo inhaftiert.
Aktuell liegt der Fall so, dass aus Xinjiang, einer Region in China, die für westliche Journalisten gesperrt ist, Berichte kolportiert werden, die muslimischen Uiguren würden massiv daran gehindert, dem Fasten zu Ramadan nachzugehen, ihnen würde das Tragen des (eher salafistischen) Bartes verboten und auch das Tragen von Kopftüchern sei untersagt. Diese unbestätigten Berichte wurden in der Türkei seitens der Regierungspresse der konservativ-islamistischen Regierung massiv verbreitet.
Türkei als Sprachrohr der Uiguren
Gerade die noch amtierende AKP-Regierung ist nicht eben bekannt für ihre leisen und moderaten Töne. Das hat sich hinsichtlich der Uiguren-Problematik wieder einmal unter Beweis gestellt. Diplomatie ist keine AKP-Domäne. So dominieren in der Türkei die Berichte über unsägliche Unterdrückungen der muslimischen Uiguren und manche Geschichte muten wahrlich abenteuerlich an. Nicht abenteuerlich genug, als dass die AKP-gesteuerten und somit islamistischen Medien nicht auf den Zug aufspringen würden. In diesem durch die polternde Regierung aufgeheizten Klima kam es dann dazu, dass sich eine Protestwelle gegen China breit machte. Das Ganze gipfelte zuerst darin, dass eine Touristengruppe aus Südkorea, die den Topkapi-Palast besichtigte, von protestieren islamistisch-nationalistischen Türken, die eine Kundgebung für die uigurischen Glaubensbrüder in China abhielten, diese Südkoreaner für Chinesen hielten. Auch als die Touristen sich als Südkoreaner zu erkennen gaben, hielt das die Demonstranten nicht davon ab, sie weiter zu attackieren. Erst das Einschreiten der Polizei beendete diesen unwürdigen Spuk.
"Chinesen und Südkoreaner haben Schlitzaugen"
Natürlich schlug diese Attacke auf die Touristen international große Wellen und ein türkischer Politiker - Devlet Bahçeli, der Vorsitzende der radikal-nationalistischen MHP – schoss im Nachgang den sogenannten Vogel ab. Darauf angesprochen, wie es sein könne, dass auch seine Anhänger Südkoreaner attackiert hätten, antwortete er, man habe es ja schwer, Chinesen und Südkoreaner zu unterscheiden, schließlich würden die Angehörigen beider Völker Schlitzaugen haben. Diese Tatsache mache es eben schwer, sie zu unterscheiden. Mit solch einer Aussage Attacken auf Touristen schönzufärben, die immerhin Geld in die arg gebeutelte Türkei bringen, ist an Dummheit kaum noch zu überbieten.
Thailand schiebt Uiguren ab
Doch woran lag es letztlich, dass nun auch Thailand zum Ziel für die Attacken islamistisch-nationalistischer Türken wurde? In der Vergangenheit waren rund 200 Uiguren nach Thailand geflüchtet. Im Zuge der Feststellung, woher diese Personen kamen, bzw. welcher Nationalität sie zuzuordnen seien, schickte die thailändische Regierung knapp 180 Uiguren in die Türkei und rund 90 Personen wurden zurück nach China verbracht. Diese Abschiebung nach China fand in der Türkei – wie auch international – wenig bis keine Gegenliebe. Zu ungewiss sei das Schicksal der Uiguren, die in China (und nicht nur dort) teils als Terroristen und Separatisten angesehen werden – siehe die Terrororganisation ETIM. Darauf basierend wurde in der regierungsabhängigen Presse der Türkei massiv Stimmung gegen Thailand gefahren. Das Ganze gipfelte darin, dass sich ein Mob aufmachte, das thailändische Generalkonsulat in Istanbul zu stürmen und nachhaltig zu verwüsten. Ein unfassbarer Vorgang auf internationaler Bühne.
Das Generalkonsulat, so wurde es in Bangkok entschieden, würde daraufhin erst einmal geschlossen bleiben. Thailand formulierte zusätzlich eine Warnung an die rund 1.500 Thai in der Türkei, sie mögen sich doch schützen und die eigene Sicherheit sicherstellen. Eine Maßnahme, die mehr als sinnvoll erscheint, denn der Ton aus Ankara in Richtung China verschärft sich zusehends in der Uiguren-Problematik.
Asiaten nicht mehr sicher in der Türkei?
Sind Menschen asiatischer Herkunft nicht mehr sicher in der Türkei? Das ist eine Frage, die man so weder mit einem klaren Ja, aber eben nicht mit einem deutlichen Nein beantworten kann. Solange jedenfalls die islamistisch-konservativen Regierungsquellen die Stimmung im Land anheizen, ist die Gefahr von Übergriffen auf Asiaten in der Türkei, die für ggf. fälschlich Chinesen oder Thai gehalten werden, nicht vom Tisch. Aktuell wurden auch China-Restaurants zur Zielscheibe massiv verwirrter Radikalinskis – zwei Restaurants wurden vollständig verwüstet - in den türkischen Metropolen und die Möglichkeit, dass die Polizei derartige Einrichtungen nachhaltig schützen kann, sieht eher düster aus. Nationalistisch oder islamistisch motivierte Tätergruppen sehen in der aktuellen Türkei den Staat eher hinter als gegen sich. Dass die Besitzer dieser beiden China-Restaurants, die in Istanbul verwüstet wurden, Türken waren und ein uigurischer Koch seinen Broterwerb durch die Verwüstung verlor, ist dabei nur noch eine eher belustigende Randnotiz.
Derzeit geht es im auf- und angestachelten Klima der Türkei gar so weit, dass verdächtig ist, wer "Schlitzaugen" hat. So gab es gerade eben erst eine virtuelle Hexenjagd zum Nachteil der Moderatorin und Schauspielerin Ayumi Takano. Dass sie Japanerin ist, störte dabei recht wenig. Gelbliche Hautfärbung und Mandelaugen = Chinese nach dem eher simpel gestrickten und schwer nationalistischen Turk-Duktus der AKP und MHP. Japan, Korea, China – alles eins. Man überlege, würde nach diesem Strickmuster international zum Nachteil türkischer Mitbürger verfahren, wie Ankara da reagieren würde. Nein, man stelle es sich besser doch nicht vor.
Handfester diplomatischer Beef zwischen der Türkei auf der einen und China sowie Thailand auf der anderen Seite?
Ja, das Risiko, dass sich die Verhältnisse zwischen der Türkei, dem selbsternannten Lordsiegelbewahrer alles Uigurischen und China sowie Thailand auf der anderen Seite massiv verschlechtern können, ist nicht von der Hand zu weisen. Da die politische Situation der Türkei aktuell eher unklar ist, denn man war bisher nach den Parlamentswahlen Anfang Juni, bei denen die AKP die Alleinregierung verloren hat und koalieren muss, nicht in der Lage, eine Regierungskoalition zu bilden. Da kommen "die Asiaten" gerade recht, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. In der jetzigen Situation ist es jedenfalls Menschen, die asiatisch ausschauen, nicht zu empfehlen, die Türkei aufzusuchen. Vielleicht entspannt sich die Lage für Chinesen und Thai ja dann wieder, wenn man sich in der Türkei endlich zu einer Koalition durchringen konnte – sofern diese Koalition nicht AKP und MHP lautet. Koalieren nämlich Islamisten mit Nationalisten, wäre das nicht nur für Asiaten fatal.
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