ASEAN - Die Freihandelszone Asiens

ASEAN steht für Association of Southeast Asian Nations, also den Verband südostasiatischer Staaten. Die Organisation hat ihren Sitz im indonesischen Jakarta und hält jedes Jahr mindestens ein Gipfeltreffen ab. Gegründet wurde die ASEAN von den Nationen Thailand, Malaysia, Indonesien, Singapur und den Philippinen im Jahr 1967. Als Ziele legten die Initiatoren politische Stabilität, sozialen Fortschritt sowie den konjunkturellen Aufschwung mit gezielter Förderung fest. Das Sultanat Brunei trat der Organisation 1984 bei, 1995 folgte Vietnam, Laos wurde zusammen mit Myanmar 1997 aufgenommen und Kambodscha 1999.

Von Michel Schaller, im Jahr 2015 verfasst

ASEAN
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Die mittlerweile zehn Mitgliedsstaaten umfassen eine Gesamtfläche von nahezu 4.5 Millionen Quadratkilometern, auf denen mehr als 620 Millionen Menschen leben. Die Dimensionen können mit denen der Europäischen Gemeinschaft verglichen werden, lediglich das BIP, beziehungsweise das Bruttoregionalprodukt erreichte 2013 mit etwa 2.4 Billionen US-Dollar nur einen Bruchteil von dem der EU. Gleichwohl liegt das durchschnittliche Wachstum des Bruttoregionalprodukts bei jährlich 5.3 Prozent. Das Land mit dem höchsten BIP-Anteil (70 Prozent) ist Indonesien, welches mit 40 Prozent auch den größten Bevölkerungsanteil der ASEAN-Gemeinschaft stellt.

Während alle Nationen über Zugänge zum Meer verfügen, ist Laos das einzige Binnenland. Eine gemeinsame Flagge vereint die zehn Mitgliedsstaaten in einem Strauß Reisrispen auf rotem Grund, sie kann jedoch nicht über die enormen Unterschiede hinsichtlich der Wirtschaftsleistung hinwegtäuschen. Während die Prokopfeinkommen in Singapur und Brunei bei 52.000 beziehungsweise 41.000 Dollar per anno angesiedelt sind, liegen sie in Kambodscha, Laos und Myanmar bei nur 1.000 bis 1.400 Dollar im Jahr. Vietnam und die Philippinen geben Prokopfeinkommen von 2.000 respektive 2.800 Dollar an, während das Mittelfeld von Thailand (knapp 6.000 Dollar), Malaysia (gut 10.000 Dollar) und Indonesien (3.500 Dollar) gebildet wird.

Wirtschaftliche und politische Ziele

Bis heute präsentiert sie die ASEAN als eine Interessensgemeinschaft, die sämtliche Entscheidungen nur im Konsens trifft. Zu diesem Zweck finden jährlich Gipfelkonferenzen, die sogenannten ASEAN Summit statt, bei welchen die Mitgliedsstaaten den Vorsitz entsprechend der alphabetischen Reihenfolge wechseln. Unter dem Dach der ASEAN finden mittlerweile zahlreiche Ministertreffen statt, die Wirtschaftsminister tagen im Rahmen von AEM, die Außenminister treffen sich beim AMM und die Finanzminister beim AFMM. Den nationalen Politikern stehen 29 Senior-Officals Komitees und insgesamt 122 politische Arbeitsgruppen aus unterschiedlichen Sektoren sowie NGOs bei.

Im Gegensatz zur Europäischen Gemeinschaft soll den Mitgliedsländern der ASEAN die Souveränität weitgehend erhalten bleiben, die Mitglieder agieren stattdessen im Prinzip des ASEAN Way. Sie treffen Entscheidungen im Konsens und demonstrieren im Bezug auf die inneren Angelegenheiten eines Angehörigen Landes strikte Neutralität. Gleichwohl werden in den letzten Jahren zunehmend Multilevel Gouvernance Ansätze, ähnlich wie bei der EU erkennbar. Eine zunehmende Zahl an Akteuren sucht die Ausweitung von Kompetenzen und leuchtet Möglichkeiten zur Schaffung neuer Kooperationen aus. Unter der Bezeichnung ACE, welche für ASEAN Economic Community oder Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN steht, sollen bestehende Handelsbarrieren fallen und die wirtschaftliche Integration vorangetrieben werden. Der Aktionsplan von Hanoi aus dem Jahr 1998 fasst die Grundlinien zusammen, darüber hinaus wurden Initiativen gebildet und zahlreiche Abkommen ratifiziert:

  • AFAS steht für ASEAN Framework Agreement on Services und soll im gegenseitigen Einvernehmen Dienstleistungsmärkte erschließen. 
  • Die ASEAN Free Trade Area AFTA wurde als ASEAN-Freihandelszone ins Leben gerufen und soll Zollbarrieren abbauen.
  • Seit 2010 hebt die ASEAN Investment Area AIA Investitionsschranken auf.

Zudem engagiert sich die ASEAN in der integrativ geförderten Kultur mit einer Bandbreite von Maßnahmen in den Sektoren Bildung, Sport und Literatur:

  • Bereits 2007 waren 21 Universitäten im ASEAN-Universitäts-Netzwerk zusammengeschlossen.
  • Der ASEAN Preis wird seitdem an herausragende Techniker und Wissenschaftler verliehen.
  • Seit einigen Jahren sponsert Singapur das ASEAN-Stipendium.
  • Seit 1984 sind alle regionalen Naturparks in einer Liste zusammengefasst, sie beinhaltet nach
  • einer 2004 vollzogenen Aktualisierung 35 Parks und nennt sich ASEAN Heritage Parks.
  • Mit dem S.E.A. Write Award wurde von der ASEAN ein wichtiger Literaturpreis eingeführt. 
  • Die ASEAN Football Federation richtet seit einiger Zeit die regionale Fußballmeisterschaft aus und bewirbt sich für die gemeinsame Ausrichtung der FIFA-WM im Jahr 2030. 

ASEAN-Staaten suchen den globalen Dialog

Besonders intensive Kontakte werden mit der Europäischen Union gepflegt, denn das Konstrukt dient bereits seit Anbeginn als Vorbild. Darüber hinaus suchen die Mitgliedsstaaten engere Beziehungen zur Regionalmacht China, nicht jedoch, ohne dem Gleichgewicht dienende Kontakte zu Australien, Japan und den USA aufzubauen. Weitere Dialogpartner sind Neuseeland, Russland, Südkorea, Indien und Kanada. Seit 2010 besteht eine Freihandelszone zwischen der Volksrepublik China und den ASEAN-Staaten, seit 2012 gibt es auch Freihandelszonen mit Japan und Südkorea. Alle mittlerweile erzielten Erfolge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ASEAN-Mitglieder vor großen Herausforderungen stehen. Als das größte Hindernis identifizieren die Akteure enorme Integrationsprobleme. 

Integration nahezu unmöglich

Das Problem ist seit der Jahrtausendwende in Europa bekannt und stellt sich in der historischen, wirtschaftlichen und traditionellen Unterschiedlichkeit der Mitgliedsländer dar. Nicht anders sieht es in den ASEAN-Staaten aus, dort sind die spezifischen Unterschiede noch erheblich größer und werden zudem von verschiedenen Regierungsformen getoppt. Singapur und Brunei weisen ein vergleichsweise hohes Prokopfeinkommen auf, während Kambodscha und Laos zu den ärmsten Nationen der Welt zählen. 

 

Auch aus politischer Perspektive könnten die Unterschiede kaum größer sein. Thailand und Kambodscha halten am Modell der konstitutionellen Monarchie fest, in Laos und Vietnam prägen kommunistische Einparteiensysteme die politische Landschaft und Brunei huldigt der absoluten Monarchie. Als autoritäre Staaten gelten Singapur und Malaysia, während Myanmar mittlerweile den Weg von der Militärjunta, in die Demokratie geschafft hat. Auch Indonesien und die Philippinen werden inzwischen als junge Demokratien verstanden. 

 

Ebenso vielfältig wie die politischen Ausrichtungen sind die Religionen in der ASEAN-Staatengemeinschaft. Laos, Kambodscha, Myanmar, Thailand und Vietnam folgen überwiegend dem Theravada-Buddhismus, wobei in Vietnam der Atheismus und in Thailand der Islam die größten Gegenströmungen darstellen. Malaysia, Brunei und Indonesien zeigen eine überwiegend islamische Prägung, während die Philippinen dem katholischen Christentum angehören. 

 

Die religiöse Verschiedenheit kommt noch stärker zum Ausdruck, da es in allen Ländern mehr oder weniger gut integrierte ethnische Minderheiten mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen gibt. Im Süden von Thailand leben beispielsweise muslimische Gruppierungen mit Autonomiewünschen, es kommt daher immer wieder zu Unruhen. Während Thailand seine Bergvölker mittlerweile wahrnimmt und kulturell fördert, ignorieren Kambodscha, Laos und Myanmar die ethnischen Minderheiten weitgehend. Diese Minderheiten sind in Vietnam und Indonesien immer wieder Anlass für Aufstände und innere Konflikte. Darüber hinaus denken die Bewohner aller ASEAN-Staaten überwiegend national und interessieren sich nur wenig für eine Staatengemeinschaft nach europäischem Vorbild.

Warum der Zusammenschluss nicht einfach wird

Im südostasiatischen Raum treffen seit jeher die Interessen und Einflüsse von China und Indien aufeinander, daher kam beispielsweise der Begriff Indochina. Der ASEAN-Staatenbund wird sowohl von historisch bedingten Feindschaften als auch von gegenwärtigen Konflikten geprägt und erschüttert. Zu den Jahrhunderten alten Differenzen zwischen Burma und Thailand respektive Vietnam und Kambodscha kommt die Tatsache, dass alle Nationen mit Ausnahme von Thailand mehr oder weniger lang Kolonien westlicher Staaten waren. 

 

Das war so im Zweiten Weltkrieg und setzte sich während des Vietnamkrieges fort. Vietnam war zunächst unter französischer und später im Süden unter US-amerikanischer Besatzung. Die Vietnamesen besetzten danach für etwa zehn Jahre Kambodscha, um vermeintlich der Schreckensherrschaft von Pol-Pot ein Ende zu bereiten. Von 1979 bis 1989 herrschte in Kambodscha ein vom Westen weitgehend nicht beachteter Krieg gegen die vietnamesische Besatzungsarmee, in den zeitweise auch China eingriff. Nachdem sich Vietnam 1989 aus Kambodscha zurückzog, fiel das Land in einen verlustreichen Bürgerkrieg mit den sogenannten Roten Khmer.

 

Auch nach dessen Ende zog in der Region kein beständiger Friede ein. In regelmäßigen Abständen beschießen sich Kambodschaner und Thais bei Auseinandersetzungen wegen des Grenzverlaufs. Zudem macht ein mittlerweile erstarktes China zweifelhafte Besitzansprüche vor der vietnamesischen Küste geltend. Der Pakt ASEAN muss sich aus all diesen Konflikten heraushalten, da ihm derzeit noch die erforderlichen Kompetenzen fehlen. Gleichwohl bezweifeln Insider, dass die Präsenz von ASEAN-Sicherheitskräften zu einer spürbaren Einschränkung gewalttätiger Auseinandersetzungen führen würde. Es gibt bislang noch keine von allen Mitgliedsstaaten anerkannte Kommission zur Schlichtung zwischenstaatlicher Meinungsverschiedenheiten und in weniger wichtigen Dingen dominiert weiterhin die asiatische Bürokratie. 

 

In den letzten 20 Jahren wurden zahlreiche Programme im Sektor Infrastruktur auf den Weg gebracht - und irgendwann aufgrund unterschiedlicher Ansichten einfach vergessen. So sollte gleich nach der Fertigstellung der Freundschaftsbrücke über den Mekong, welche Nong Khai mit Vientiane verbindet, eine Zugverbindung von Bangkok nach Peking eingerichtet werden. Die Verhandlungspartner trennten sich, nachdem sie sich nicht auf einheitliche Gleisspurweiten einigen konnten. Ähnlich unbefriedigend verlief der Plan einer direkten Buslinie zwischen Bangkok und Vientiane im Sand, es gab Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Gewinnverteilung. 

Was können Sie zukünftig von ASEAN erwarten?

Sie als Asienreisender möchten natürlich wissen, ob ASEAN spürbare Erleichterung beim Überschreiten regionaler Grenzen bringt. Für die Einheimischen bestehen seit Langem vereinfachende Regelungen, Thais können beispielsweise nahezu kostenfrei nach Laos reisen, Kambodschanern wird gegen geringes Entgelt ein Border-Pass ausgehändigt, mit dem sie zeitweise in Thailands Grenzprovinzen arbeiten können. Auch Bürgern aus Myanmar und Laos ist die Arbeitsaufnahme in Grenznähe ohne Visaantrag und kostenfrei erlaubt. 

 

In diesem Jahr wollen die ASEAN-Staaten über Reiseerleichterungen für internationale Touristen beraten. Es geht dabei inoffiziellen Stellen folgend um ein gemeinsames Visum, welches zu Reisen nach Thailand sowie zu Abstechern nach Kambodscha, Laos und Vietnam berechtigen soll. 

Es ist jedoch fraglich, ob sich die beteiligten Länder auf eine einheitliche Vereinbarung und auf die Verteilung, der Visagebühren verständigen können. Der nächste ASEAN Summit findet im April in Vientiane statt, wir berichten darüber und gehen dabei insbesondere auf neue  Tourismus -Regelungen ein. Angesichts bestehender Differenzen sollten Sie jedoch keine allzu bedeutenden Ergebnisse erwarten. Thailand und alle benachbarten Staaten sind auf ihre Einnahmen aus der Visaerteilung angewiesen und stimmen einer gemeinsamen Aktion nur dann zu, wenn sie keine Einbußen zu befürchten haben. 

 

Eine einheitliche Währung wurde bislang noch nicht offiziell in Erwägung gezogen, Sie können sich daher auch bei kommenden Aufenthalten an der gewohnten exotischen Vielfalt erfreuen. Zudem beobachten die asiatischen Entscheidungsträger die Entwicklung in der Eurozone sehr intensiv und wollen von den Europäern begangene Fehler vermeiden. 

Fazit:

ASEAN ist bereits in einigen Segmenten Realität, allerdings wird die Souveränität aller Mitgliedsstaaten bis auf weiteres garantiert. Es bleibt bis auf konstruktive Zusammenarbeit in Wirtschaftsfragen zunächst alles beim Alten. Das schließt jedoch nicht aus, dass irgendwann der politische Zusammenschluss dem wirtschaftlichen folgen soll. In dem Fall ist mit enormem Widerstand aus der Bevölkerung zu rechnen, da in Südostasien die nationale Eigenständigkeit einen wesentlich höheren Stellenwert als in Europa hat und auch verteidigt wird. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Entscheidungsträger sehr umsichtig sowie typisch bürokratisch vorgehen und wirklich bedeutende Änderungen daher lange auf sich warten lassen.

 

Wie fragil die Bevölkerungsakzeptanz in Bezug auf die ASEAN-Gemeinschaft ist, zeigten die Unruhen beim 14. Gipfel im April 2009 in Pattaya. Die Demonstrationen gegen den Staatenverbund waren dermaßen heftig, dass die Veranstaltung abgebrochen wurde und die Teilnehmer fluchtartig den Tagungsort verließen. Der nächste Kongress fand im Oktober des gleichen Jahres in Cha-am statt, die thailändische Regierung setzte dort mit 18.000 Soldaten und Polizisten mehr Sicherheitskräfte als Deutschland beim G-8-Gipfel in Heiligendamm ein.

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