Tomboys in der thailändischen LGBTQ Kultur

Tomboys Tom sucht Dee - Die Tomboy Szene in Thailand

Sie fallen auf in Thailand. Doch meistens erst auf dem zweiten oder dritten Blick: die Tomboys. Jedenfalls bisher, das scheint sich gerade etwas zu ändern. Ein perfekter Zeitpunkt, die Szene einmal näher zu beleuchten. Für die Herkunft dieser Bezeichnung kann man bis in Shakespeares Zeit abtauchen. Ok, also leuchten und tauchen wir, folgen wir den Spuren der Toms und Dees in der thailändischen LGBTQ Kultur

Tomboys in der thailändischen LGBTQ Kultur
Tomboys in der thailändischen LGBTQ Kultur

Tatsächlich taucht der Ausdruck Tomboy im England des sechzehnten Jahrhunderts das erste Mal auf. Mädchen, die laut und wild herumspielten sowie Frauen, die direkt, dreist und scheinbar ohne jegliches Schamgefühl lebten, wurden als „Tomboys“ gedisst. Shakespeare verwendete den Begriff in einer etwas abgemilderten, eher väterlich wohlwollenden Bedeutung, für Mädchen, die sich wie lebhafte Jungen benehmen.

Eine Art Definition

Die Bezeichnung „Tom“ kam in den 70er Jahren in Thailand auf. So bezeichneten sich Personen mit weiblichem Körper, die sich nach außen hin männlich geben. In romantischen Beziehungen suchen sie nach ihrer Dee des Herzens. Dee ist eine Verkürzung der englischen „la-dy“. An dieser Stelle müsste man tief in die queere Sprache einsteigen, um alle Nuancen zu erfassen und unterscheiden zu können. Aber dann wird es ganz schön kompliziert, wenn plötzlich von afab, faab, dfab, Femme und Butch die Rede ist. Hier kann das „Queer Lexikon“ weiterhelfen.

 

In einfacher Sprache ausgedrückt: Als Toms oder Tomboys bezeichnen sich Personen, denen bei ihrer Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, die in ihrem Wesen und phänotypisch aber männlich daherkommen. In der Regel streben sie keine Transformation zum Mann an. Toms sind also weder Frau noch Mann, noch Transgender, und wenn es um die Liebe geht, fühlen sie sich in einer lesbischen Beziehung am wohlsten. Tom und Dee sind Bezeichnungen, mit denen sich diese Personen selbst kategorisieren und daher keine diskriminierenden Ausdrücke.

Tomboys Tom sucht Dee - Die Tomboy Szene in Thailand
Tomboys Tom sucht Dee - Die Tomboy Szene in Thailand

Phänotypen: Tomboy - Ladyboy

Sie haben kurzes Haar, einen betont männlichen Kleidungsstil und sind bemüht, die Brust zu verstecken. Entweder durch entsprechende Kleidung oder durch Abbinden der Brüste. Das wäre die naheliegende Kurzbeschreibung eines Tomboys. Oft sind sie, wie viele Frauen und Ladyboys in Thailand ausgesprochen hübsch. Nur kommen die Toms nicht so schillernd daher wie die Ladyboys und bewegen sich mehr in ihrer eigenen Bubble. Das heißt, sie sind nicht so häufig in Touristenbars anzutreffen, um dort Farang Dees aufzureißen.

Ladyboy oder Tomboy?
Ladyboy oder Tomboy?

Dass Ladyboys mehr „schillern“ müssen als Tomboys, hat ganz pragmatische Gründe. Schließlich versuchen sie, sich dem (immer noch) vorherrschenden Frauenideal anzugleichen, es nach Möglichkeit sogar zu übertreffen. Sie wollen in der Regel Frau sein(!) und nicht nur in die Rolle schlüpfen. Das erfordert mehr Aufwand und Einsatz. Sie exponieren sich, um Hetero-Männern aufzufallen und zu gefallen. Ladyboys in der Prostitution, das ist in diesem Zusammenhang ein anderes gesellschaftspolitisches Thema. -> Mehr über Ladyboys gibt es übrigens hier----eigenlink--------- zu lesen.

Tomboys legen ebenfalls Wert auf ihr Äußeres, haben aber häufig noch andere Schwerpunkte in ihrem Leben. Tomboys besuchen natürlich auch Bars. Allerdings sind das eher die queeren Szenebars in den Univierteln. Dort geht es vordergründig recht künstlerisch und intellektuell zu, dient letztendlich aber auch nur dem Gegenseitigen beschnuppern, was sonst? Die Szene der Tomboys beginnt jedoch gerade aus ihrer zurückhaltenden Rolle zu schlüpfen. Die Interessen verlagern sich nun auch hier mehr und mehr auf Äußerlichkeiten. Darauf, ein möglichst perfektes männliches Erscheinungsbild abzugeben, mit dem dazugehörigen passenden Rollenverhalten. Was dann wohl leider zu Lasten der eben erwähnten „anderen Schwerpunkte“ gehen wird.

Tom Community in Thailand

 Innerhalb der lebendigen LGBTQ Bewegung in Thailand (hauptsächlich Bangkok) spielen die Toms eine einzigartige Rolle, wie es sie so nur in Thailand gibt. Sie bezeichnen sich nicht als Lesben, sondern bilden eine eigene Gruppe unter den LGBTQs. Denn zum Unterschied zu den Lesben, wird das Rollenbild von Mann und Frau in den gleichgeschlechtlichen Beziehungen zwischen Tom und Dee beibehalten, zum Teil sogar überzeichnet. Daher gibt es für die weibliche Rolle auch die extra Bezeichnung Dee.

 

Weiter in die Tiefe der Beziehungen abtauchend zählen diese Tomboys zu den sogenannten "one-way" Toms. Das heißt, nur eine Person ist aktiv beim Sex, die andere empfängt. Außerdem muss ein Tom, für seine Dee sorgen können, sie beschützen. Eine weitere Untergruppe wären die "two-way" Tom. Darunter fallen dann die Dee - Dee und die Tom -Tom Beziehungen. Es ist eben kompliziert.

 

Zurzeit gibt es einen regelrechten Hipe um die Toms in den sozialen Medien, allen voran auf TikTok, aber auch in Magazinen und in Filmen sind sie präsent. Mehr und mehr geht der Trend in Richtung Äußerlichkeiten, dazu gehören Mode und Muckibuden Besuche ebenso, wie die Tom Competitions. Ja, das Rad der Zeit scheint sich auch in der hippen LGBTQ Szene rückwärts zu drehen. Von einer gleichberechtigten Beziehung zwischen zwei lesbischen Frauen hin zu einer lesbischen Beziehung im Frauenbild der deutschen Fünfziger Jahre (Stichwort: tradwife). Alles umsonst? Werden sich einige ältere Semester fragen. Optimistisch gesehen, lässt sich das vielleicht als kleiner extremer Ausschlag sehen. Zumindest einigen Frauen, Mädchen bietet dieser Weg auch eine Alternative zur klassischen Thai Ehe, die noch viel zu oft recht unerfreulich für die Frauen verläuft.

  • Toms: The Complex World of Female Love in Thailand: Ein Film von Coconuts TV auf Youtube zeigt die „schillernde“ Welt der Tomboys im heutigen Thailand und es beantwortet etwas die Frage, wieso so viele Tomboys in Thailand leben.

Thailand und seine Toms

Thailand war schon immer bekannt für seine Offenheit gegenüber Transgender und gleichgeschlechtlicher Liebe. Doch der freiheitliche, äußere Eindruck täuscht. Es ist eher eine Toleranz, die nur so lange gilt, wie sie andere nicht stört. Von Gleichberechtigung im juristischen und politischen Sinn kann bis heute keine Rede sein. Doch gerade jetzt scheint sich etwas zu bewegen. Die bunte, attraktive LGBTQ-Kultur wird inzwischen zunehmend öffentlich als Aushängeschild benutzt, um gleichgesinnte (wohlhabende!) Touristen aus anderen Ländern anzulocken. Zeitgleich liegt eine entsprechende Gesetzänderung auf dem Tisch (Paragraph 1448 Zivil- und Handelsgesetz), welche die Ehe für alle ermöglichen soll. Die Chancen stehen gut, dass diese Änderung demnächst beschlossen wird.

Zum Weiterlesen und Vertiefen:

Wieso gibt es so viele Transgender in Thailand?
Wieso gibt es so viele Transgender in Thailand?
  • Die Lesbian Community in Thailand wächst schnell, Angebote für Partys und Austausch finden sich auf allen Kanälen. Zum Beispiel gibt es jeden ersten Samstag im Monat eine große „Lesla Party Thailand“ in Bangkok. Aktuelle Informationen dazu bietet die gleichnamige Seite auf Facebook.
Michael Schaller - Thailand-Spezialisten.com
Michael

Kommentar schreiben

Kommentare: 0